Christoph Maria Herbst: Ein Traum von einem Schiff
Wenn frau schon – ohne eigenes Zutun – in den Genuss eines der ersten hundertausend nicht geschwärzten Exemplare dieses Romanes Buches kam, kann sie es ja auch ganz ungeniert unzensiert lesen – oder? Gesagt, getan! Und angesichts der EV (Einstweilige Verfügung) war ich denn auch – ganz Frau halt eben – mehr als neugierig, wem wohl der Autor so sehr auf die Füße getreten sein könnte und mit was. Fünf Abende opferte ich, meine Neugier zu stillen – während andere Familienmitglieder ihren wohlverdienten TV-Schönheitsschlaf pflegten.
Gleich vorweg: Ein Meisterwerk deutscher Sprachkunst darf man nicht erwarten – da reichen die eingestreuten Fremdwörter und etliche interessante Wortneukonstruktionen nicht aus. Ebenso ist der Begriff „Roman“ für dieses 204-Seiten-Büchlein nicht wirklich zutreffend. Auch zur Novelle oder Kurzgeschichtensammlung reicht’s hier nicht. Schon eher kann ich mich mit dem Begriff (Traum-)“Logbuch“ anfreunden, mit dem der Autor in wortspielerisch kreativen Variationen Vorwort, Hauptteil und Schlusswort kennzeichnet.
Der uns als Stromberg-Darsteller bekannte Herr Herbst beschreibt träumt und erduldet in diesem Buch sein gut bezahltes Engagement für eine ZDF-Traumschiff-Folge und die damit verbundene Traumreise. Der Mensch und Autor scheint dabei mit seinem TV-Alter-Ego etliche Charakterschwächen zu teilen: Er ist böse, sarkastisch, zynisch, sexistisch, ekelig, feige, beleidigend, opportunistisch, schwächlich, kränklich, wehleidig … kurz gesagt ein selbstherrlicher Macho mit Ekelpaket-Allüren, der seine eigenen Schwächen immer wieder selbst entlarvt und mir letztlich doch oder gerade deshalb auf der langen Reise auch ein Stück weit sympathisch wird.
Jedoch bleibt es mir im großen Reisedurcheinander rätselhaft, welche Texte Traum, Wirklichkeit, Phantasie, Humor, Ernst oder eine Mischung aus allem sind. Es fehlt der rote Faden und viele Fragen bleiben offen. Wie kommt zum Beispiel „Hui Buh“ nach Panama und wo lag die MS Deutschland in Prag vor Anker? Sehr verwirrend! Dazu kommen dann noch diverse detailliert und langatmig ausgekostete Männermitternachtsphantasien, Magenverstimmungen, Koffertrennungsschmerzen etc. Alles in allem ein Wechselbad zwischen genussvoll spaßig kurzweiligem Lesevergnügen und ermüdender Langeweile.
Zum guten Schluss bin ich auch nach fünf Tagen nicht unbedingt klüger, kann aber ahnen, welche Textpassagen warum geschwärzt werden mussten. Zuweilen lässt Herbst durch die geschriebenen Zeilen ein großes Maß Bewunderung für die einzelnen beschriebenen Charaktere durchscheinen, was den Autor und Berufszyniker dann doch nicht daran hindert, genau diesen Menschen an anderer Stelle im Text öffentlich bloßzustellen – manchmal tief unter der Gürtellinie. Da scheint mit dem Autor der Stromberg zu sehr durchgegangen zu sein und er ist übers Ziel hinausgeschossen.
Fazit:
Ich finde, das Buch ist nicht wirklich schlecht, aber auch nicht richtig gut; ein netter Zeitvertreib für langweilige Winterabende, aber kein unbedingtes Muss. Sollte Christoph Maria Herbst jedoch mal auf die Idee kommen, seine gesammelten Anekdoten in loser Reihenfolge in ein Weblogbuch zu schreiben, würde ich ganz sicher reinschauen, ekelpaketzynisch kommentieren und evtl. den RSS-Feed abonnieren. Und mit solch virtueller Übung gut gerüstet wird der nächste Traumschiffroman dann janz bestimmt en Kracha. ;-)
Dank der Einstweiligen Verfügung – von wem auch immer – betrachte ich das traumschiffversenkende Büchlein im Augenblick eher als wertgesteigerte Geldanlage. Und sobald absehbar wird, dass der Scherz Verlag erfolgreich gerichtlich gegen die EV vorgeht, werde ich mir sicher noch kurzentschlossen die zensierte Fassung zulegen … aber … man weiß ja nie … vielleicht schaut der Autor ja doch noch hier persönlich vorbei, um meine unzensierte Fassung zu schwärzen und darüber dann ein Buch zu schreiben … :-D