Lanxess Arena Live Musentempel Rainald Grebe Review

Versöhnung mit Qualen

Clubs oder kleinere Hallen sind unsere bevorzugten „Musentempel“. So hatten wir bis letzten Freitag die Kölnarena – Neudeutsch: Lanxess Arena – nur von außen gesehen. Dass wir nun in den Genuss von Innenansichten kommen sollen, verdanken wir dem Bergischen Sonntagsblatt und einer Portion Glück; ich hatte bei einer Verlosung 2 Karten für Rainald Grebe und das Orchester der Versöhnung gewonnen. Vielen Dank dafür!

Lanxess Arena in Köln

Bis zu 20.000 Zuschauer finden in dieser Veranstaltungshalle in Köln-Deutz Platz, um sowohl sportliche als auch musikalische Ereignisse zu erleben. Der runde Bau wird erst durch den dachüberspannenden Bogen zum städtischen Hingucker und trägt den liebevollen Spitznamen „Henkelmännchen“ (laut Duden ein „Gefäß zum Transportieren einer warmen Mahlzeit“). Parkmöglichkeiten finden sich direkt nebenan im Parkhaus – Arenatarif für Veranstaltungen = 4,50 Euro.

Es gibt mehrere Eingänge. Taschen werden genau kontrolliert. Man kann also den Fotoapparat ruhig zu Hause lassen. Das Foyer ist kein Foyer im eigentlichen Sinne, sondern ein breiter Gang mit Treppen rund um die Veranstaltungarena. Ihr findet hier einen Caterer neben dem anderen. Geboten wird eine ausreichende Auswahl an Getränken in Plastikgefäßen, deren Griff in die Halterungen der Sitze passt. An Speisen sind an vielen verschiedenen Ständen Brezeln, Popcorn, Chips, Würstchen, Frikadellen, Eis etc. erhältlich … Stadionkost halt eben.

Auffällig ist der hohe Personalaufwand der in diesem Hause betrieben wird. Angefangen bei Sauberkeit über Catering bis hin zu Technik und Sicherheit sind hier sehr viele Menschen beschäftigt, den reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. Das Personal ist dabei freundlich und sehr korrekt.

Der Veranstaltungsraum ist riesig und sieht für die Nutzungszeit von 13 Jahren schon recht „verwohnt“ aus. Die Bühne befindet sich in der Mitte und ist nach hinten geschlossen, so dass nur die Hälfte der Halle genutzt wird. Die Fläche im Innenbereich ist an diesem Abend bestuhlt. Von den Rängen hat man uneingeschänkte Sicht, die Distanz zur Bühne ist dort allerdings schon in den vorderen Reihen recht groß.

Klappsitz in der Lanxess Arena Köln

Absolutes Manko dieses Veranstaltungsriesen sind die Klappsitze der Ränge. Zwei grade, mit Stoff überzogene „Bretter“ als Sitzfläche und -lehne, eine viel zu niedrige Sitzhöhe sowie wenig Beinfreiheit machen das Sitzen zur Qual und verursachen Rückenschmerzen – nicht nur bei älteren Zuschauern.

Klappsitz in der Lanxess Arena Köln

Der Verantwortliche für diese Folterinstrumente kann wahrscheinlich froh sein, dass hier keine amerikanischen Schmerzensgeldklageverhältnisse herrschen.

Auch die Akustik ist nicht berauschend. So kann ich die Show an diesem Abend zwar gleich zweimal hören, aber ein Echo ist nicht gerade das, was ich mir bei solchen Gelegenheiten unter Hörgenuss vorstelle.

Rainald Grebe und das Orchester der Versöhnung in Köln – 27.11.2011

Rainald Grebe = Kabarettist, Comedian, Poet, Liedermacher, Sänger, Pianist, Expressionist, Anarchist, Ossi, Wessi, Berufsnörgler? Es gibt keine Schublade in die dieser Künstler passen könnte. Und so ist auch sein Programm an diesem Abend extrem und knallbunt, eine ernst-lustige bzw. lustig-ernste Mischung aus Theater, Kabarett, Musik und Kinderquatsch.

An dem musikalisch-theatralisch-aufwühlenden Durcheinander beteiligt sich das Orchester der Versöhnung:

  • Martin Brauer
  • Marcus Baumgart
  • Buddy Casino
  • Serge Radke
  • Smoking Joe
  • und vier Streicher

Mimik und Gestik machen neben Worten und Klängen einen Großteil der Kunst Grebes und seines Orchesters aus und genau die kann man aus der Ferne unserer Plätze nur erahnen. Allerdings wird dem Auge mit schönen Lichteffekten und phantasievoll absurden Verkleidungen auch über die Distanz einiges geboten.

Rainald Grebe scheint ebenso von den gigantischen Ausmaßen der Halle beeindruckt und vermutet gar, dass zeitgleich in der anderen Hälfte der Halle Ben Hurs Wagenrennen (10. und 11.12.2011 in der Lanxess Arena) tobt. Nun  ja, Grebe ist halt ganz oben angekommen und darf sich am gleichen Ort austoben, wie Ben Hur, Udo Lindenberg, David Garrett, Ina Müller, Roger Cicero, Bruce Springsteen usw. usf. etc.

Ich bin von der Show hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Langeweile. Schwungvolle und intelligente Szenen und Lieder wechseln sich ab mit lustlosen Späßen, die noch nicht mal Kindergartenniveau haben und nicht ganz meinen Nerv treffen. Auch bleibt leider ein großer Teil des Erlebens in den Weiten der riesigen Arena auf der Strecke. Dementsprechend ist die Stimmung im Publikum zwiegespalten und schwankt zwischen Euphorie und Gleichgültigkeit.

Mein Highlight des Abends ist das Lied „Anonymität“, das die gelebte Zerrissenheit eines aufs Land geflüchteten Städters thematisiert.  Köstlichst! Leider konnte ich davon im ganzen weltweiten Netz kein Videomaterial finden, dafür stelle ich Euch Hassan Bamamba, den Diktator der Herzen, vor:

Fazit:

Rainald Grebe und sein großes Orchester der Versöhnung werde ich mir vielleicht noch mal hauchNAH in kleinerem Rahmen anschauen – dann könnte der Funke zünden. So verlor sich ein Teil der Kunst irgendwo in der Weite des Lanxess Universums. Von quälenden Klappsitz-Rückschmerzen geplagt und vom Echo verfolgt wäre uns der Abend auf jeden Fall keine 36 Euro wert gewesen. So viel hätte nämlich eine Karten in der achten Reihe der Ränge gekostet.

Glück gehabt, dass wir dank dieses Gewinns wenistens einmal in unserem Leben in den weltweit zweitgrößten Veranstaltungstempel hineinschauen konnten. Wir sehen uns in Zukunft die Lanxess Arena dann lieber wieder von außen an, gehen in unsere kleinen aber feinen Musentempel und genießen die Künstler, bevor sie ganz oben sind. 😉

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1 Kommentar Neues Kommentar hinzufügen

  1. Stefan sagt:

    Die Lanxess Arena hat für mich den Flair einer riesigen Wellblech-Garage mit Pommes-Bude davor.
    Gäste, die auf den Sitzen der ersten Reihe des unteren Ranges gesessen haben, beklagten sich die Show durch die Gitterstäbe des Geländers sehen zu müssen.

    Wie mag das wohl von der anderen Seite ausgesehen haben?

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