Es gibt einige Künstler, bei denen wir nur zu gerne Konzertwiederholungstäter sind. Die Brüder Wasserfuhr im Quartett (oder auch mehr) gehören dazu: Weltklasse-Jazz, der sich mit spielerischer Leichtigkeit in Ohren und Herzen einschmeichelt, egal ob von CD oder live. Zweimal hatten Stefan und ich das Wasserfuhr Quartett in diesem Jahr schon live erlebt, ein drittes Konzert kurz vor Jahresschluss kann da nicht schaden, quasi als entspannter, gut klingender Start in den Advent. Hektisch wird es in der Vorweihnachtszeit auf jeden Fall noch genug. Premiere war für uns der Veranstaltungsort:
Altes Pfandhaus in Köln
Das Alte Pfandhaus liegt in der Kölner Südstadt, ziemlich nah am Chlodwigsplatz. Auch hier gilt wie für die meisten Musentempel in Köln, dass Parkplätze rar und teuer sind. Öffentliche Verkehrsmittel sind also sehr zu empfehlen; wer dennoch die Anreise mit dem Auto wagt, sollte ausreichend Zeit für die Parkplatzsuche einplanen und reichlich Kleingeld zur Fütterung der gierigen Parkscheinautomaten mitnehmen. Auch ist vielfach die Höchstparkdauer begrenzt, was dann für einen Konzertbesuch schon mal eng werden kann.
Das Alte Pfandhaus findet Ihr in einer kleinen Seitenstraße nur ca. 100 Meter von der Severinstorburg entfernt. Von außen unspektakulär überrascht es innen mit viel Raum. Es finden an diesem Ort wohl nicht nur Konzerte und Lesungen, sondern auch Ausstellungen statt. In der gemütlichen Lounge wird eine ausgewählte Vielfalt an Getränken geboten, die mit in den Konzertsaal genommen werden dürfen. Direkt vor dem Konzertsaal gibt es noch eine zusätzliche kleine Bar. Die Preise sind moderat. Speisen sind nicht erhältlich.
Das große Aha-Erlebnis hatte ich dann beim Eintritt in den Konzertsaal, einer u-förmig angelegten „Mini-Arena“, die Bühne unten in der Mitte. Durch die stufig angeordneten Sitzbänke hat man von jedem Platz aus sehr gute Sicht. Stehplätze sind im oberen hinteren Bereich durch ein Geländer abgetrennt. Insgesamt finden 220 Besucher Platz. In diesem kleinen feinen Konzertsaal ist man mit den Künstlern auf Augenhöhe und sehr sehr nah am Geschehen. Man kann auch sagen: Mittendrin und hauchnah liegen hier dann also ausnahmsweise mal die Künstler dem Publikum zu Füßen. ;) Ein sympathisches Team sowie die sehr gute Akustik runden das Wohlfühllkonzerterlebnis ab.
Im Programm des Alten Pfandhauses findet sich neben Pop, Soul und Blues sehr viel Jazz – also ein Veranstaltungsort ganz nach unserem Geschmack. Wir werden das Programm im Auge behalten.
Julian und Roman Wasserfuhr Quartett
Inspiration liegt auf der Straße bzw. auf französischen Bahnsteigen oder gar in den Regalen eines Spielwarenhändlers. So auf jeden Fall klingt es, wenn man Julian und Roman Wasserfuhr nicht nur musikalisch sondern auch wörtlich lauscht. Es sind neben der unvergleichlichen Musik immer auch die launigen Moderationen der beiden Brüder, die ein Konzert ausmachen. Da wird dann locker aus dem Nähkästchen über Misserfolge aus dem Jüngstmusikerleben geplaudert oder über nachhaltig beeindruckende französische Bahnsteig-Jingles sinniert.
Diese Moderationen bewirken Zweierlei: Zum einen erklärt sich so der ein oder andere eigenwillige Titel ihrer Stücke, zum anderen wird hohe Kunst des Jazz auf eine sehr persönliche, vergnügliche Ebene ganz nah ans Publikum geholt – so einfach ist das. So einfach, wie das Gesellschaftspiel, das ein freundlicher Spielwarenhändler den zwei Brüdern bzw. ganz besonders Jazzmusikern gerne ans Herz legt, gerade weil es so leicht zu spielen ist. ;) Dass Julian und Roman Wasserfuhr den Schwierigkeitsgrad des Spieles eher als nicht so easy ansehen, geht im Lachen des Publikums fast unter … Immerhin haben die beiden diesem Spiel ein eignes Lied gewidmet – eines, das mit der Wasserfuhr typischen selbstverständlichen, melodischen Leichtigkeit die Zuhörer in den Bann zieht, während die Musiker hochkonzentriert spielen. Das offenbar Leichte ist wohl die schwierigste aller Künste.
Auf jeden Fall hat das Wasserfuhr Quartett hier im ausverkauften Alten Pfandhaus (wie so oft) leichtes Spiel, das Publikum zu gewinnen. Mit „Bernie’s Tune“, einem Stück ihrer noch nicht erschienenen CD „Landed in Brooklyn“ starten
Julian Wasserfuhr (Trompete, Flügelhorn)
Roman Wasserfuhr (Piano)
Oliver Rehmann (Schlagzeug)
Markus Schieferdecker (E-Bass, Kontrabass)
gewohnt harmonisch in den Abend und bezaubern vom ersten Ton an. Neben diesem ersten Titel des Abends ist noch das ein oder andere neu:
Mischten die Wasserfuhrs vor gut einem Jahr hin und wieder mal ein oder zwei neue Stücke unter ihr vertrautes Repertoire, so steht der heutige Abend ganz im Zeichen der bevorstehenden CD-Release und wird von Titeln des am 24. Februar 2017 erscheinenden Albums dominiert.
Roman Wasserfuhr hat zudem am Piano digital aufgerüstet und wandelt nun gekonnt zwischen klassischen und elektronischen Klangwelten. Das uns wohlvertraute Englishman in New York erfuhr so eine „Rundumerneuerung“. Das ausgefeilte Intro lässt auf die ersten Takte schwer erkennen, wohin die musikalische Reise gehen wird und gipfelt dann in eine überirdisch geniale Interpretation des Sting-Klassikers.
Neu ist auch Markus Schieferdecker an E- und Kontrabass, der sich überzeugend ins Ensemble einfügt und zusammen mit Oliver Rehmann am Schlagzeug für soliden rhythmischen Boden sorgt. Dass diese beide daneben auch sehr eigene dynamische Akzente setzen können, dazu haben Oliver Rehmann und Markus Schieferdecker viele gute Gelegenheiten.
Wir durften bereits bei einigen ihrer Konzerte erfahren, dass ein Wasserfuhr Quartett gerne mal mehr als vier Musiker zählen darf. Heute ist der Saxophonist Tony Lakatos Special Guest in der Runde, atemberaubend so mancher „Dialog“ zwischen Julian Wasserfuhr und ihm.
Bei allem Neuen, das dem Publikum im Alten Pfandhaus heute serviert wird, klingt es immer noch sehr vertraut. Julian und Roman Wasserfuhr entwickeln sich weiter, probieren sich aus und bleiben sich dennoch treu. Unterhaltsamer Jazz auf höchstem Niveau. Ein begeistertes Publikum entlässt die Musiker erst nach einer zweiten Zugabe.
Und wenn nun noch das neue Album hält, was das Konzert verspricht, dann freue ich mich umso mehr auf diese Scheibe – die wir bereits (in großem Vertrauen) vor einem Dreivierteljahr vorbestellt haben. Auch hier und heute im Alten Pfandhaus kann man sich in die Vorbestellliste eintragen und erhält dafür dann in nächster Zukunft ein signiertes Exemplar. Mit Erscheinungsdatum werden ganz sicher schon etliche CDs verkauft sein …
Setlist:
- Bernie’s tune (Landed in Brooklyn)
- Lost in Time
- Englishman in New York (Gravity)
- Doxy (Jazzstandard) – mit Tony Lakatos
Pause
- Durch den Monsun (Landed in Brooklyn) – mit Tony Lakatos
- Tinderly (Landed in Brooklyn) – mit Tony Lakatos
- SNCF (Landed in Brooklyn) – mit Tony Lakatos
- Tutto (Lande in Brooklyn)
Zugaben
- Toccata (Upgrated in Gothenburg)
- Tears (unveröffentlicht)
Fotogalerie:
Alle Fotos von mir. Zum Vergrößern und Durchblättern der Galerie einfach Anklicken.
Wer dann noch nicht genug hat, findet einen Bericht mit weiteren Fotos des Abends im Blog meines Jazz-Konzert-Begleiters Stefan (kultpix.de).