Comedy Kabarett Musentempel Pantheon-Theater Philip Simon

Beklatscht & ausgebuht

Wer kam eigentlich auf die wahnwitzige Idee, bei bestem Osterurlaubswetter die Wohnzimmerwand aufzustemmen und Kabel für weitere Schalter und Steckdosen zu verlegen? Alles, was zu wohnlichem Wohlgefühl beiträgt, wird tagelang unter Folien, Tüchern und Staub versteckt und nicht nur die Kabel liegen blank.

Da trifft es sich gut, dass uns liebe Freunde schon vor Wochen – vielleicht in weiser Vorausahnung – für zwei kabarett-genusssüchtige Abende eingeplant hatten und zum Lachen mit in den Keller nehmen …

Prix Pantheon in Bonn – 28. und 29. April 2011

Ja, Ihr habt richtig gelesen: Keller. Denn das Pantheon-Theater in Bonn glänzt zwar mit überirdisch gutem Programm, aber um zur sagenumwobenen Kleinkunstbühne zu gelangen geht’s erst einmal treppab. Das Foyer mit Bar befindet sich im 1. Untergeschoss und eine weitere Treppe tiefer ist dann der eigentliche Ort des kabarettistischen Geschehens. Und wie das halt so ist in Kellern, es ist dunkel: dunkle Wände, dunkle Stühle, dunkle Bühne – alles in leichten Nebel getaucht. Signalrote Tischdecken, das Pantheon-Logo und die Beleuchtung lockern das Bild auf. Ca. 250 Menschen können hier kuschelig nah beisammensitzen.

Tja, und wer sich hierher wagt, sollte auf jeden Fall genügend Taschengeld für Getränke und Snacks mitnehmen. Nicht, dass diese besonders teuer wären … aber irgendwie machen die neblige Kellerluft und die gemütliche Atmosphäre durstig … und die Getränkeauswahl lässt keine Wünsche offen, es wird sogar eine nette Vielfalt an Cocktails angeboten.

Auch das Pantheon-Theater gehört zu den von uns gern und öfter heimgesuchten Musentempeln und ist uns wohlvertraut. Aber dieses Mal ist alles ein wenig anders. Für den Prix Pantheon kann man nur Karten im Doppelpack buchen, also sind zwei Abende hintereinander verplant und man zahlt dafür, dass man sein Gesicht und seine Emotionen verkauft und obendrein noch seine Stimme abgeben muss.

Denn an diesen Abenden werden dem Publikum 12 mehr oder weniger unbekannte Künstler zum Fraß vorgeworfen. Das heißt, diese 12 wagemutigen Talente haben jeweils 20 Minuten Zeit zu beweisen, dass sie die Kunst des Unterhaltens beherrschen – sie werden entweder beklatscht oder ausgebuht … nur wenige erklimmen den kabarettistischen Olymp und gewinnen den Prix Pantheon.

Das alles – Freud und Leid, Triumph und Versagen – wird vom WDR mit vielen Kameras und weiterer Technik in Bild und Ton festgehalten. Dabei steht nicht nur die Bühne im Mittelpunkt des Interesses, auch im Publikum wird jeder abgelichtet, der wagt zu lachen. Da es keine Stehplätze gibt, hat man auch keine Chance den Kameras durch geschickten Stellungswechsel zu entrinnen. Wer also vielleicht im nächsten Jahr mal mit dabei sein möchte, sei gewarnt. ;-)

Die Reihenfolge der Auftritte wird per Los bestimmt; an jedem Abend wird für die jeweils 6 aufgetretenen Künstler abgestimmt – ein etwas „eigenwilliges“ Konzept.

Rainer Pause (alias „Fritz Litzmann“) – der uns vom „Tod im Rheinland“ noch sehr lebhaft in allerbester Erinnerung ist – moderiert mit leichten Abwandlungen, was der Teleprompter ihm vorgibt – es soll ja auch ins Sendekonzept passen, wenn gut zwei Stunden Bühnenprogramm auf 45 Sendeminuten gekürzt werden müssen.

Und nun geht’s los mit den mal mehr oder weniger überzeugenden Künstlern in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

1. Abend

Der erste Abend ist sehr stark besetzt. Mindestens drei bis vier verdiente Anwärter auf den Prix Pantheon kann ich entdecken – da fällt die Wahl schwer … sehr schwer.

Philipp Scharri

Nett, jung, sympathisch, dichtend, wehleidend und klavierspielend startet er in den Abend. Philipp Scharri ist ein Wortakrobat mit philosophischem Anspruch und eher dezentem Witz. Mir gefällt das gut und besonders seine Geschichte von der Läuterung des unbeugsam substantiverten Verbs hat was. Die Freunde der gehobenen Wortkultur kann er sicher auch länger als nur 20 Minuten bei guter Laune halten.

Philip Simon

Wer schon immer mal einen „wahnsinnig entfesselten Holländer“ erleben wollte, für den ist Philip Simon ein ganz heißer Tipp. Witzig, politisch, spontan und wortgewandt befreit er sich und seine Landsleute aus der Zwangsjacke verkiffter Vorurteile. Seine 20 Minuten waren alles – nur nicht langweilig. Mir gefällt die Mischung aus politisch nicht korrektem Kabarett und purem Nonsens. 20 Minuten sind definitiv zu kurz.

Christoph Tiemann

Nach dem vorangegangenen Feuerwerk tut sich Christoph Tiemann etwas schwer, seine politisch-biblisch-kulturellen Aufreger unters Publikum zu bringen. Die Stimmung geht dabei ein wenig in den Keller. Mein Humorzentrum trifft er mit seiner Darstellung eher nicht – was aber nix heißen soll. Die Darbietung ist nicht schlecht, aber mehr als 20 Minuten brauche ich persönlich davon nicht.

Helge und das Udo

Was Helge Thun und Udo Zepezauer abliefern ist schwer zu beschreiben. Zwei wie Feuer und Wasser irgendwo zwischen Genialität und Wahnsinn werfen unter vollem körperlichen Einsatz geschliffene Worte, zappelnde Gesten sowie ausdrucksstarke Grimassen ins Publikum und erklären nebenbei kulturell talkend das Leben und Werk Anton Tschechows. Die beiden sind meine absoluten Favoriten, davon möchte ich unbedingt mehr sehen als diese kurzweiligen 20 Minuten.

Sabine Domogala

Flott lustiges Motivationstraining wird uns von der quirligen Sabine Domogala geboten. Sie coacht uns bestrickend, wortgewandt, charmant und souverän, aber mir ist das bei allem Witz zu nah am „Original“ und trifft nicht ganz meinen Geschmack. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sie für Freunde dieses Humors eine gut abendfüllendes Programm auf die Bühne bringt.

Tilman Birr

Noch ein Wortpoet, der Tilman Birr. Einer, der den Leuten aufs Maul schaut und das intelligent und schamlos für seine sehr sympathisch Bühnenpräsenz ausbeutet. Mit der Gitarre entlarvt er die fabelhafte Welt der Amelie und macht uns den Reinhard Mey für Berliner. Klasse Typ, der ganz bestimmt zu mehr als 20 unterhaltsamen Minuten fähig ist.

2. Abend

Das Programm des zweiten Abends schwächelt etwas und kann einem Vergleich mit dem Vorabend nicht standhalten.

Gunkl

Gunkl eröffnet den Reigen des zweiten Abends und durchleuchtet mit seinem besonderen österreichisch-höflichem Charme und gut durchdachten, hochkomplexen Satzkonstruktionen wohlbekannte biblische Thesen. Hier muss man schon sehr konzentriert bleiben, um Feinheiten nicht zu überhören. Nach einer anstrengenden Woche reicht meine Konzentration so gerade eben für diese 20 Minuten.

Kristian Kokol

Ganz ehrlich? Von diesem Künstler fühlte ich mich schlichtweg verar***t. Ist der immer so? Hatte er an diesem Abend einfach keine Lust? Aber vielleicht hat sich mir der hintergründige Sinn seiner besonderen Kunst auch nur nicht ganz erschlossen. 20 vergeudete Minuten.

Götz Frittrang

Die Haare wie Beethoven, ein Baum von einem Mann und erst die Augen … der absolute Wahnsinn. Dabei ist Götz Frittrang harmloser bamberger Germanist mit Taxischein, der nur spielen will – mit Worten, Gesten und dem Publikum. Alltägliche Belanglosigkeiten werden wortgewaltig zu Dramen aufgebauscht – das wird meine Wahrnehmung für die Zukunft stark beeinflussen. Na, da kommt dann doch wieder Freude auf für diese 20 Minuten und vielleicht auch mehr …

Frank Fischer

Spitzfindig, bissig und scharfzüngig nimmt Frank Fischer den menschlichen und politischen Alltag aufs Korn und hält uns den Spiegel vor. Erstaunlich, in welch paradoxe Abgründe wir dabei blicken dürfen. Zweifelsohne ist Frank Fischer mein eindeutiger Favorit dieses zweiten Abends.

Angelika Knauer – „Frau Klein“

Auf den ersten Blick fängt es sehr verheißungsvoll an. Perfekt „auf alt getrimmt“ erzählt, singt und rappt die putzmuntere Rentnerin Frau Klein über ihre Freuden des Alters. Das hätte richtig Spaß machen können … ja, wenn da nicht diese überdreht nervtötende Stimme wäre. Schade eigentlich!

The Fuck Hornisschen Orchestra

Zum Schluss wird’s musikalisch. Julius und Christian vertonen Wörter wie „Bahndammbrandmann“ oder erfinden Police-Songs wie „Message in a Bordell“ neu. Das ist jung, frech und respektlos … aber trotzdem nicht ganz nach meinem Geschmack. Ich denke, aus dem Alter bin ich raus.

Fazit

Wir haben an zwei Abenden für relativ kleines Eintrittsgeld (32 Euro/Person – ohne Getränke ;-)) viele wundervolle Künstler erleben dürfen. Die 20-Minuten-Häppchen sind gerade mal lang genug, gute Darbietungen genießen und schlechte ertragen zu können.

Die Abstimmung

Ich persönlich fänd es besser, ausschließlich am Ende des zweiten Abends unter allen zwölf Kandidaten einen Favoriten auswählen zu dürfen/müssen, da sich am ersten Abend gleich mehrere extrem starke Konkurrenten die Stimmen teilen mussten, während am zweiten Abend das Wahlergebnis mangels Konkurrenz relativ absehbar war.

Der Publikumspreis

Herzlichen Glückwunsch an Frank Fischer, den Gewinner des mit 3.000 Euro dotierten Publikumspreises „beklatscht & ausgebuht“ 2011. Und vielen Dank an alle, die uns mit ihrer Kunst sehr viel gute Laune bescherten.

Der Jurypreis

Der mit ebenfalls 3.000 Euro dotierte Jurypreis „frühreif und verdorben“ geht jeweils zur Hälfte an zwei Preisträger. Die glücklichen Gewinner sind Gunkl und Philip Simon.

Die Suppe

Als Entlohnung für das Dauerlächeln in die Kameras, für fleißiges Klatschen und Jubeln, für die Stimmabgabe sowie zur Überbrückung der Wartezeit auf die Bekanntgabe des Stimmergebnisses spendiert das Pantheon noch jedem Zuschauer ein feines Süppchen – eine sehr sympathische und wohlschmeckende Geste.

Das Fernsehen – Sendetermine

Die Aufzeichnungen werden im WDR an folgenden Terminen gesendet:

  • 22.05.2011, 23:15 Uhr – 1. Teil
  • 29.05.2011, 23:15 Uhr – 2. Teil
  • 18.06.2011, 23:15 Uhr – Best of

Danach seid Ihr gefragt, denn es wird auch noch ein TV-Preis vergeben und über den kann man hier abstimmen.

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