Review Stefan Gwildis

Opernbesuch einmal anders

Rita Baus – der „Erfinderin“ der Veranstaltungsreihe „Quatsch keine Oper“ – haben wir es zu verdanken, dass Stefan Gwildis nach langer Nordrhein-Westfalen-Abstinenz mal wieder in gut erreichbarer Nähe auftritt. Sie ist es auch, die uns nicht lange zappeln lässt und nach ein paar treffenden kurzen Worten die Bonner-Opern-Bühne freigibt für zwei Gitarren und ein Cello einen Bass.

Stefan Gwildis „anplackt“ in der Bonner Oper – 03.06.2011

Das Bonner Publikum empfängt Stefan Gwildis mit tosendem Applaus, bevor er auch nur einen Ton gesungen bzw. einen Akkord gespielt hat. Und er startet, wie er eigentlich immer startet: Ein Mann, einsam und verlassen auf einer großen Bühne, eine Scat-Version von „Allem Anschein nach bist Du’s“ und die Begrüßung des Publikums zelebrierend.

Ja, wir alle sind hierher gekommen. Und wir werden es alle einmal – soweit vorhanden – unseren Enkeln erzählen. Was sind schon Grillabende und Länderspiele (Deutschland : Österreich) gegen einen Abend mit drei virtuosen Nordlichtern. Es ist zwar schade, dass Hagen Kuhr und Cello mit gequetschtem Finger daheim bleiben mussten, aber der Ersatzspieler am Bass ist ja auch kein Unbekannter: Achim Rafain. Die zweite Gitarre gehört Mirko Michalzik, der als letzter den Weg auf die Bühne findet.

Ab jetzt steht einem erheiternd musikalischen Abend nichts mehr im Wege, denn nicht nur die drei Musiker sind in Spiel- und Erzähllaune und werfen sich etliche Bälle zu, sondern auch das Bonner Publikum ist äußerst offen und begeisterungsfähig und gibt dem schlagfertigen Stefan Gwildis einige Steilvorlagen. Da werden nicht nur ganze Opern gequatscht, sondern auch Länderspielzwischenergebnisse singend zur Diskussion gestellt. Welche Emotionen ein Eigentor auslösen kann, erlebt man nicht im Stadion oder in der Sportschau sondern nur hier in der Bonner Oper …

Eine rätselhafte Setlist endet nach dem dritten Song zerknüllt am Boden – was soll’s, da improvisiert Künstler dann halt für den Rest des Abends ein wenig. Und wenn das Gedächtnis versagt, hilft dem Gwildis immer noch der gute alte Lübke, diese Lücke zu überspielen. Es ist unglaublich welchen Bogen gwildische Verzällcher spannen können: Von Dänemark geht’s über das Gard Haarstudio in den Wiesengrund, wo Jogi Löw auf den Hund gekommen ist und sich die Kleider vom Leib reißt … oder so ähnlich … Ich kann es mir einfach nicht alles merken. Gut, dass Bruder Ulli für eine Pause sorgt, sonst wäre da bestimmt noch mehr ins Durcheinander geraten. ;-)

Der rote Faden des Abends ist die Musik, die gut gemischt teils wohlbekannt von den letzten Alben stammt aber auch teilweise schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat. Man merkt bei Liedern wie zum Beispiel „Mond über Hamburg“ oder „Schlaf ein“ am Lachen oder Raunen des Publikums, dass diese Titel nicht allen vertraut sind. Aber die Bonner lassen sich darauf nur allzu gerne ein und leihen sogar „Bonzo“ die Stimmen für den Background. Einmal angelernt, gipfelt die geballte Energie des neu gegründeten Opernchores darin, im Kanon schwierigste Keith-Jarrett-Köln-Konzert-Harmonien mit dem Satz „Bonzo – Bonzo – Bonzo don’t be so“ kraftvoll verschmelzen zu lassen – wow! So entfesselt läßt man sich nur ungerne bremsen – selbst von einem Herrn Gwildis und weiteren 43 Strophen nicht …

Ich persönlich mag es, wenn Stefan Gwildis, Mirko Michalzik und Achim Rafain musikalisch ein wenig rückwärts reisen. Die älteren Songs wirken keineswegs antiquiert oder verstaubt; außergewöhnliche Texte und eine Stimme zum Dahinschmelzen werden von Gitarre und Bass harmonisch getragen. Ob Soul oder Jazz, leise oder laut, erst schnell und dann wieder ruhiger, lustig oder nachdenklich bis kritisch, alt oder neu – die Auswahl ist gut getroffen und lässt entweder mitsingen und -klatschen oder andächtig lauschen:

  • Allem Anschein nach bist Du’s (Neues Spiel)
  • Intro
  • Heut ist der Tag (Heut ist der Tag
  • Mama mag ihn (Komms zu nix)
  • Ohne mich (Komms zu nix)
  • Wenn es weg ist (Wünscht Du wärst hier)
  • Gestern war gestern (Wünscht Du wärst hier)
  • Keines Menschen Auge (Wünscht Du wärst hier)
  • Mond über Hamburg (Komms zu nix)
  • Lass ma‘ ruhig den Hut auf (Neues Spiel)

Pause

  • Regenlied (Wajakla.)
  • Schlaf ein (Komms zu nix)
  • Bonzo (Wajakla.)
  • Sie läßt mich nicht mehr los (Neues Spiel)
  • Schöner (Heut ist der Tag)
  • Schön schön schön (Heut ist der Tag)
    (mit Bass- und Gitarren-Solo)
  • Nur in meinen Gedanken (Nur wegen dir)

Zugaben

  • Sie ist so süß (Neues Spiel)
  • Mitten vorm Dock Nr. 10 (Neues Spiel)
  • Anker werfen Segel setzen (Strombolis – Gretes Hits)
    (auf Wunsch eines einzelnen Herren …
    und noch ganz vieler anderer Menschen im Saal)

Aller guten Dinge sind drei vier – und das war jetzt mein viertes gwildisches Anplackt-Event. Es war außergewöhnlich und wundervoll, die Stimmung konnte nicht besser sein und die Akustik in der Bonner Oper war ausgesprochen gut. Trotzdem wäre es auch mal wieder schön, die volle Seelenmassage genießen zu dürfen – am besten mit ganzer „Fußballmannschaft plus Reservebank und Trainer“ und was sonst noch so dazugehört = also mindestens 14 Mann und Frau. ;-)

Zum Schluss gibt’s noch ein paar Fotos – von ziemlich weit hinten und selbstverständlich ohne Blitz aufgenommen – ich bitte deshalb um Nachsicht:

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